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  Weihnachten 1954
 

                 Weihnachten 1954

Heute ist der Heilige Abend und ich kann es kaum erwarten, dass das Christkind kommt. Ob es überhaupt kommt? War ich brav genug? Wenn ich nur daran denke, dass meine liebste Puppe "Sylvia" verschwunden ist. Ob ich sie bei meiner Freundin vergessen hatte oder beim Bonbon kaufen in Tante Gretes Laden? Oh weih, wenn das das Christkind weiß.
Ich erinnere mich noch genau, wie es letztes Jahr am Heiligen Abend war: Vati kam mit einem großen Weihnachtsbaum und ich durfte helfen, ihn zu schmücken. Da kamen zuerst wunderschöne glänzende, bunte Kugeln dran. Manche hatten auf einer Seite so eine Einkerbung, wie ein Eiskristall, die funkelten besonders schön. Dann wurde süßes Konfekt aus Zuckerguss und Schokoladenkringel dran gehängt. Das eine oder andere davon verschwand schon mal in meinen Mund. Mmmmmh, lecker. Nun musste das Lametta aufgehängt werden. "Nur auf die Spitzen, hörst du, und immer nur einzelne Lamettafäden nehmen", sagte mein Vati. Zum Schluss steckte er rote Kerzen an die Spitzen und Wunderkerzen.
Ob Vati es überhaupt schafft, einen Baum zu besorgen, er war letzte Zeit immer so beschäftigt. Noch spät abends war er in der Werkstatt und hatte dort zu tun. Und auch Mutti hatte immer so viel Arbeit. In jeder freien Minute war sie jetzt noch am Stricken, hatte doch die Nachbarin ein kleines Baby bekommen, und dafür wollte sie ein Babyjäckchen und Höschen stricken.
Ich nahm mir vor, heute besonders brav zu sein. Ich könnte beim Abspülen helfen, oder im Wohnzimmer staubwischen.
Und endlich war es dann so weit….. Ins Wohnzimmer durfte ich seit dem Nachmittag nicht mehr hinein, es war abgeschlossen, und nun wartete ich ganz ungeduldig und spitzte meine Ohren, ob ich eventuell etwas vom Christkind hören könnte. Aber es war so still………..,   bis ich plötzlich ein kleines Glöckchen hörte. Und da kam auch schon meine Mutti und sagte: „Komm schnell Christa, ich habe gerade das Christkind gesehen. Wollen wir mal nachsehen, was es uns gebracht hat?“
Aus dem Wohnzimmer erklang schon die Melodie „Stille Nacht, heilige Nacht….“ Und da stand er, unser Weihnachtsbaum. Wunderschön sah er aus. Die Wunderkerzen sprühten und die Lichter der Kerzen spiegelten sich in den Christbaumkugeln wieder. Unser Tisch aber war abgedeckt mit einem großen Laken. Was da wohl darunter war?
Endlich, als die Musik verklungen war, nahm meine Mutti das Laken vom Tisch. Darauf waren bunte Teller mit Süßigkeiten und mehrere Päckchen an denen jeweils ein Namensanhänger befestigt war und………,     eine Puppenstube, die hatte ich mir gewünscht. Mit zwei Zimmern, ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. In dem Wohnzimmerchen standen zwei kleine Sessel, ein kleiner Tisch, ein kleiner Schrank, ein Fenster war in der Rückwand und…….     die Tapete an den Wänden sah genau so aus, wie die Tapete, die in unserem Wohnzimmer war. Ob das Christkind beim gleichen Maler einkaufte, wie meine Eltern?
Und da schaute noch etwas unter dem Tisch hervor: Ein Puppenwagen!!!!!!!   Und darin lag meine Puppe Sylvia, ganz in einem rosa Strickanzug gekleidet. Und der sah genau so aus, wie der, den meine Mutti für die Nachbarin gestrickt hatte.
 
Christa Leyer,
nach meinen Kindheitserinnerungen geschrieben
 
   
 
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